5 Jahre ist es mittlerweile her, dass wir 2 Monate lang durch Bosnien und Kroatien gereist und geklettert sind. In den letzten zwei Wochen dieser Reise waren wir zwar - Schlechtwetter bedingt - unverhofft in Griechenland gelandet, dennoch ist uns gerade unsere Zeit in Bosnien noch lebhaft in Erinnerung und bringt uns sofort wieder ins Schwärmen. Wir konnten also gar nicht anders, als endlich einen weiteren Roadtrip durch den Balkan zu planen …
Da unsere diesmaligen Reiseziele - Bulgarien und Rumänien - von Bern aus gesehen, jedoch leider nicht gerade um die Ecke liegen, haben wir uns den Hinweg in mehrere Etappen eingeteilt und jeweils einen Ruhetag vom Auto fahren, soll heissen: einen Klettertag in Ungarn und Serbien eingeplant. Und tatsächlich spielte das Wetter so gut mit, dass wir sowohl in Tardos (Ungarn) wie auch in Jelasnica (Serbien) jeweils perfekte Kletterbedingungen erwischten.
Erste Übernachtung direkt an der Donau, auf dem menschenleeren Campingplatz Eden in Süttö.
Kletter-Stop in Jelasnica.
Auch für unseren anschliessenden Besuch in Sofia meinte es das Wetter noch gut mit uns. Sofia wird einerseits als Zentrum der «alternativen und kreativen Szene» oft mit dem aufstrebenden und kreativen Berlin vor einigen Jahren verglichen und andererseits sei Sofia (laut Auskunft einiger Locals) mittlerweile die "IT-Hauptstadt" Europas. Die Kehrseite dieser Vielzahl an vielen gut ausgebildeten jungen IT`lern, sei allerdings ein immenser Mangel an Personal in handwerklichen und anderen traditionell eher schlechter bezahlten Berufssparten. Dieses Ungleichgewicht scheint so gravierend zu sein, dass wir es innerhalb unseres kurzen Aufenthalts mehrfach von verschiedenen Personen geschildert bekamen.
Um es direkt vorweg zu nehmen, Sofia ist es in jedem Fall wert besucht zu werden! Die Stadt bietet - natürlich incl. dem dazugehörigen Verkehrschaos - alles was man von einer Grossstadt erwartet und doch versprühen die Einwohner eine äusserst angenehme Entspanntheit. Übertriebener Geschäftigkeit oder Hektik begegneten wir dort kaum. Dafür aber umso mehr Menschen jeglichen Alters, die sich alleine oder in Gruppen in einer der zahlreichen Grünanlagen treffen, um dort ihren Kaffee zu trinken, etwas zu essen oder einfach nur eine kleine Auszeit vom Alltag zu nehmen.
Als schlendernder Besucher nehmen wir vor allem eine sehr gemütliche, grüne Stadt mit viel Streetart, gemütlichen und hippen Wohnvierteln, unendlich vielen Restaurants und Fast Food Läden, welche ein riesiges Repertoire an veganen Gerichten anbieten und Cafés mit köstlichen herzhaften und süssen Leckereien und feinstem Kaffee wahr.
Nach unserem kurzen Zwischenstopp in Sofia war es dann endlich an der Zeit weiter zu ziehen - und zwar direkt ins bulgarische Zentrum des Sportkletterns.
Vratsa
Vratsa liegt ca. 90 Autominuten nördlich von Sofia und hat für quasi jeden Kletterer etwas zu bieten: Von plattig geneigt bis stark überhängend und von kurz und knackig zu eher Ausdauer lastig, bieten die verschiedenen Sektoren rund um Vratsa eine grosse Vielfalt an Klettermöglichkeiten. Doch nicht nur Kletterer kommen hier auf ihre Kosten. Auch die Möglichkeiten zum Wandern und Mountainbike fahren scheinen nahezu endlos zu sein.
Da uns das Wetterglück bei unserer Weiterreise jedoch anfänglich erst einmal etwas verlassen hatte und selbst die regensicheren - stark überhängenden Sektoren "Little Cave" und "Big Cave" - durch das durch den Felsen laufende Wasser der letzten Regenperiode mehrheitlich nass waren, statteten wir auch direkt einmal der Prohodna Cave einen Besuch ab. Diese 65 km westlich gelegene Höhle stand ohnehin als - zumindest vermutetes - Highlight auf unserer Favoritenliste und mit etwas Glück war die Prohodna Cave ja vielleicht etwas trockener geblieben als die beiden Höhlen in Vratsa …
An diesem Tag tropfte es nicht nur von den Felswänden.
Die "Big Cave" mitten in einer heraufziehenden Regenwolke.
War sie leider nicht!
Ganz im Gegenteil, nahezu alle Wandteile waren triefend nass, die Luftfeuchtigkeit extrem hoch und sogar der Boden der Höhle war durchgehend nass und schlammig. Auch wenn die Prohodna Cave somit als Schlechtwetter-Alternative zum Klettern (und als Highlight somit ebenfalls) ausfiel, war die Gestalt der Höhle nichtsdestotrotz sehr beeindruckend. Die Höhle ist bis zu 45 m hoch und insgesamt 262 m lang und hat in der Decke zwei charakteristische Öffnungen, welche auch als "Augen Gottes" bekannt sind.
Die "Augen Gottes" in der Prohodna Cave.
Somit war immerhin geklärt, in welchem Gebiet wir in den kommenden Tagen vermutlich die besseren Chancen auf trockene Kletterwände haben werden! Und tatsächlich - so langsam kamen wir in den Genuss von mehr und mehr Sonnenstunden und auch die Bedingungen an den Felsen wurden mit jedem neuen Tag etwas besser.
Wunderschöner Stellplatz mit grandioser Aussicht am Ausgangspunkt des Weges zur "Little-" und "Big Cave".
Mit dem zunehmend besseren Wetter kamen über das Wochenende auch immer mehr einheimische Kletterer nach Vratsa und wir somit endlich in Kontakt mit der bulgarischen Kletterszene. Auch wenn in Sofia gerade eine weitere neue (und den Erzählungen nach topmoderne) Kletterhalle eröffnet hat und es zumindest in der Hauptstadt bereits einige Tausende Kletternde gibt, so scheint die Gruppe derjenigen, die regelmässig an die Felsen von Vratsa fahren noch immer recht übersichtlich zu sein. Alle schienen sich nicht nur gegenseitig zu kennen, sondern sogar genau zu wissen wer gerade an welcher Route arbeitet.
Selbst an Tagen, an denen sich mehrere Personen für die gleiche Route interessierten, blieb die Stimmung extrem entspannt - alle warteten geduldig bis sie wieder an der Reihe waren und so kam es regelmässig vor, dass zeitweise 5 - 6 Leute die gleiche Route projektieren konnten, ohne dass irgendwer schon unruhig am Einstieg mit den Füssen scharte, während ein anderer sich noch in der Route befand. Etwas, das in vielen anderen Klettergebiete leider schon länger nicht mehr denkbar ist …
Nach einem kleinem "Restday-Ausflug" nach Belogradchik, einem kleinen Ort in Mitten einer von der Natur bizarr gestalteten Felsenlandschaft und ein paar weiteren Tagen in Vratsa - an denen sich das gebirgige Mikroklima wieder einmal überhaupt nicht an die Wettervorhersage hielt - wurde es für uns schliesslich Zeit schweren Herzens weiterzuziehen. Gerne hätten wir zwar noch einige weitere Routen (und andere Sektoren) ausprobiert, aber auch in Rumänien gab es einige Orte, denen wir auf unserem Weg zum vermeintlichen "Top-Spot" Baile Herculane noch gerne einen Besuch abstatten wollten.
Die bizarren Felsformationen im Umland von Belogradchik.
Unser Resümee?!
Wie immer haben wir das Gefühl viel zu wenig Zeit gehabt zu haben, trotz verhältnismässig viel Regen konnten wir doch erstaunlich viel klettern gehen (die Kletterrouten waren nahezu alle weltklasse), die Menschen haben wir als sehr hilfsbereit, nett und lustig wahrgenommen und die lokale Kletterszene als extrem offen, sehr kommunikativ und herzlich erlebt, wir haben zuvor noch nie so viel Wald auf einmal gesehen (das Farbspiel im Herbst muss fantastisch sein!) und wer nach Bulgarien reist, ohne mindestens einmal Mekiza gefrühstückt zu haben, hat definitiv etwas verpasst!
Unser Weg nach Rumänien führte uns zur Grenzstadt Russe durch einen zunehmend von Agrar- und Industriewirtschaft geprägten Landstrich mit z.T. riesigen Ansammlungen an - mittlerweile stark renovierungsbedürftig erscheinenden - Plattenbauten. Auch dieses Bild gehört offensichtlich immer noch zu Bulgarien …
Aber vielleicht macht ja gerade der Mix aus all diesen Faktoren den Reiz dieses Landes und eines Besuches aus.
Für alle die immer noch im ESC-Taumel sind:
България: 12 Точки - Bulgaria: 12 Points!
Streetart in Belogradchik.