· 

Dünne Luft, viel Wind und noch mehr Boulderblöcke …

Nach ausnahmsweise mal „nur“ einer halben Tagesfahrt kamen wir am frühen Nachmittag an unserem nächsten Reiseziel an: Oukaïmeden.

 

Da im Reiseführer mehrfach vor dort deutlich überzogenen Restaurant- und Unterkunftspreisen gewarnt wurde, machten wir vorsichtshalber in Marrakesch noch einen Grosseinkauf und parkten unseren Bus nach der Ankunft in Oukaïmeden, nach ausgiebiger Begutachtung der alternativen Stellplätze, einfach oben neben den lokalen Aussichtspunkt - mit direkten Blick auf den Jbel Toubkal, dem mit 4167m Höhe der höchste Berg Marokkos.



 

Bei dieser Aussicht werden es die zukünftigen Stellplätze in Marokko schwer haben mitzuhalten ... !


Schon als wir das erste Mal aus dem Bus stiegen, fegte ein auffällig kalter Wind über den auf 2700 m gelegenen Grat und man spürte nur allzu deutlich den Höhenunterschied zu Marrakech. Nachdem wir unsere Flipflops also durch Socken und Schuhe getauscht und Pulli, Jacke und Mütze rausgekramt hatten, zogen wir erst einmal los, um die Gegend zu erkunden - bzw. um uns einen ersten Eindruck zu verschaffen, wo in diesen uns umringenden unendlich wirkenden Blog-Halden denn überhaupt die Boulder-Areale zu finden sind.

 

Unser Vorhaben wurde jedoch vorerst relativ rasch durch mehrere mobile Verkäufer gestoppt, die uns - meist von ihren Mopeds aus - allerlei Souvenirs anzubieten hatten. Einen Teil dieser Verkäufer trafen wir von da an eigentlich jeden Tag und kamen (sofern mit Saskias Brocken Französisch möglich) mit ihnen ins Gespräch. Sie alle warten dort momentan auf den ersten Schnee, welcher normalerweise jedes Jahr viele in- und ausländische Touristen zum Skifahren in den kleinen Ort lockt und damit (nach dem Ende der Corona-Pandemie) endlich wieder für Arbeit sorgt.

 

Sobald man das Gefeilsche um den besten Preis - mit oder ohne abschließenden Kauf - hinter sich gelassen hat, fragten uns viele der dort ansässigen Berber nach Medikamenten wie z.B. einfache Schmerzmittel oder Stiften und Blöcken für die Kinder sowie Sonnenbrillen und warmer Kleidung. Es fehlt diesen Menschen schlichtweg jegliche Infrastruktur, um selbst an die für uns selbstverständliche medizinische Grundversorgung zu gelangen, welche zum einen nur in grösseren Ortschaften existiert und zudem generell nur für diejenigen zugänglich ist, welche in der Lage sind das entsprechende Bargeld auf den Tisch zu legen.

 

Einer dieser Menschen ist uns über die Zeit dabei sprichwörtlich ans Herz gewachsen - Mohamed. Bereits als wir ankamen bat er uns beinah verzweifelt ihm eine Tüte mit Walnüssen abzukaufen. Während die meisten anderen Verkäufer eher hochwertigere Dinge wie z.B. Schmuck, Dekorationen oder Fossilien anzubieten hatten, waren die eingesammelten Walnüsse alles was er hatte. Er wirkte auch insgesamt im Vergleich zu den anderen Verkäufern nochmals deutlich ärmer. Sein Djellaba hatte eindeutig schon bessere Zeiten gesehen und er war zudem zu Fuss unterwegs. An den Füssen trug er lediglich Sandalen, welche offensichtlich nur noch durch wenige Riemen zusammengehalten wurden.

 

Kurz nachdem wir also Walnüsse knabbernd im Bus sassen, kam auch er nochmals zu uns, um nach Aspirin oder Stifte für die Kinder in seinem Dorf zu fragen. Nachdem wir ihm daraufhin alles schenkten, was wir an Perfalgan und Stiften dabei hatten, freute er sich darüber so sehr, dass er uns daraufhin prompt umarmte und sich freudestrahlend aufmachte in sein Dorf zurückzukehren.

 

Fast immer, wenn wir in den kommenden Abenden vom Bouldern zu unserem Bus zurückkamen, sass Mohamed am Aussichtspunkt, beobachtete die Berge, begrüsste uns stets mit lieben Worten und fragte uns wie es beim Bouldern war oder erzählte von seinem Dorf, welches ca. zwei Stunden zu Fuss entfernt liegt und schenkte uns von Zeit zu Zeit das Einzige was er hatte - nämlich eine Handvoll selbst gesammelter Walnüsse.

Nachdem wir ihn schliesslich fragten, ob wir ein Foto von und mit ihm machen dürften, freute er sich erneut riesig und wir versuchten daraufhin seine Postadresse zu erfragen, um ihm die Fotos nach unserer Rückkehr zuschicken zu können. Er versprach uns diese am nächsten Tag mitzubringen und kam am darauffolgenden Abend, wie versprochen, mit einem Zettel zu uns auf dem jedoch lediglich: Mohamad, Oukaïmeden (also noch nicht einmal sein Nachname oder der Name seines Dorfes) und seine Telefon-Nummer stand.

 

Etwas verzweifelt versuchten wir durch mehrfaches Nachhaken, weitere Angaben zu bekommen. Der Versuch einen Brief an Mohamad in Oukaïmeden zu schicken, erschien uns nämlich ähnlich erfolgversprechend wie eine Postsendung in Deutschland ausschliesslich mit Familie Müller, Köln zu beschriften. Er beteuerte jedoch, diese Informationen würden vollkommen ausreichen und das Postamt ihn zu gegebener Zeit dann telefonisch informieren … Inschallah!

 

Im Anschluss an unseren routinemässigen Schwatz kramte er plötzlich schüchtern eine alte Sonnenbrille mit nur noch einem Bügel hervor und setzte sie sich - scheinbar mit einer Portion Selbstironie - schief auf seine Nase und grinste uns an. Daraufhin fiel uns die zusätzliche Sonnenbrille in unserem Handschuhfach ein und kurze Zeit später hatte Mohamed eine neue Sonnenbrille:


 

Mohamed mit seiner neuen Sonnenbrille.




Eine durchaus ungewöhnliche Begegnung bescherte uns dann bereits an unserem zweiten Tag in Oukaïmeden die dort stationierte Gebirgseinheit des marokkanischen Militärs.

 

Diese begannen am Morgen unmittelbar in der Nähe unseres Schlafplatzes mehrere Zelte aufzubauen und nur kurze Zeit später hielt neben unserem Van ein Jeep mit offensichtlich hoch positionierten Militärs an. Sie erklärten uns, dass sie gerade für die kommenden Tage mehrere Militärübungen vorbereiten würden, wir uns aber durch sie nicht stören lassen sollten - sie würden uns lediglich bitten keine Fotos von den Übungen zu machen.

Sie betonten noch mehrfach, dass wir herzlich willkommen waren, hier oben mit unserem Bus so lange zu stehen wie wir wollten und falls unser Auto doch widererwartend für die ein oder andere Übung im Weg sein würde, würden sie uns einfach bei den Boulderblöcken suchen kommen und uns Bescheid sagen.



Und auch unsere Begegnungen mit der Polizei waren, wenn man als Tourist überhaupt einmal bei einer der wirklich zahlreichen Strassenkontrollen raus gewunken wird, durchweg nett und lustig.

 

Bei der ersten Kontrolle kurz nach unserer Einreise fragte ein Polizist Ansgar nach unseren Papieren - dieser hatte jedoch gar nicht so richtig zugehört und dachte daher der Polizist hätte ihn gefragt wo wir hinfahren würden und antwortete daraufhin einfach nur Camping“…

Von da an waren unsere Ausweispapiere kein Thema mehr!

Stattdessen bekamen wir eine genaue Wegbeschreibung zum nächsten Campingplatz und wurden durch die Kontrolle gewunken.

 

Ein weiteres Mal, liess sich ein Polizist (zusätzlich zu allen Papieren) unseren Bus von innen zeigen, äusserte sich anschliessend überschwenglich begeistert über unseren tollen Ausbau und bemängelte im Anschluss lediglich, dass ja noch gar kein Marokko-Foto an unserer Fotowand hängen würde!




Doch nun zum Abschluss nochmal zurück zu dem, weshalb wir überhaupt nach Oukaimeden gefahren sind. Dem Bouldern!



Insgesamt gibt es dort  bereits 19 Sektoren, in denen jeweils zwischen 1 und 140 Probleme erschlossen wurden. Das Potential scheint jedoch immer noch immens zu sein und an vielen Tagen haben wir zu den bereits bestehenden auch noch einige eigene Boulder erschlossen.

 

Die Blöcke bestehen aus dunklem Sandstein mit sehr vielfältigen Felsstrukturen - von stark überhängend bis plattig, Leisten bis Sloper, Löchern mit meist abgerundeten Kanten oder gute Henkel bis grosse schweinsnasenartige Strukturen war wirklich alles vorhanden. Gar nicht so wenige der erschlossenen Boulder sind allerdings mittlerweile in einen der vielen von den Berbern gebauten Schafställe oder Unterkünfte integriert worden und so wundert es auch nicht, dass während dem Bouldern häufig Ziegen oder Schafe an einem vorbeilaufen, welche von einem Hirten täglich über die Berge getrieben werden.


 

In die Felsstrukturen integrierte Unterkünfte.


Das Gebiet, welches uns am meisten gefallen hat, liegt auf einem flachen und begrünten Plateau (daher auch der Name Plato), welches insgesamt etwas idyllischer erscheint als die übrigen Sektoren und von dem aus man wieder Mals einen direkten Blick auf den Jbel Toubkal hat.




Nach einer guten Woche hatten wir dann aber doch das Gefühl, dass uns der Wind jetzt genug um die Ohren gepfiffen hat, wir gerne die Standheizung am Abend und Morgen gegen einen gemütlichen Kaffee in der Sonne tauschen würden und es zudem Zeit wird, die Kletterstrecken von zwei oder drei Metern wieder auf 30 bis 300m zu verlängern!



Daher hiess es für uns nun - Next Stop: Todra Schlucht!