„Griffige Henkel und sanfte Neigungen wie in den Tannheimer Bergen? Kurze Routen wie am Achensee? Komfortable Hakenabstände wie im Kaiser? Nichts davon erwartet einen in den Dolomiten …“ - So lautet die Beschreibung unserer für die nächsten 10 Tagen anvisierten Kletterdestination auf bergsteiger.de.
Das der Wilde Kaiser ein Synonym für komfortable Hakenabstände sein soll, erscheint uns zwar nicht wirklich nachvollziehbar - hatten wir doch während unserer ersten zaghaften Schritte in der Welt des alpinen Kletterns genau dort in einer der vielen vorhandenen klassischen Routen auf ca. 90 Kamin-Klettermeter gerade mal 4 Schlaghaken zur Verfügung …
Nichtsdestotrotz standen die Dolomiten schon seit längerem ganz oben auf unserer Wunschliste und spätestens, seitdem sie uns wiederholt von Freunden mit schwärmerischen Beschreibungen empfohlen wurden war klar, dass wir um einen Trip in die Dolomiten nicht mehr herum kommen.
Die Dolomiten, gehören mit zu den geschichtsträchtigsten Klettergebieten der Alpenregion, an deren Wände mehr als einmal alpine Geschichte geschrieben wurde. Und es ist sicherlich kein Zufall, dass viele berühmte Kletterer in den Dolomiten ihre "Kletter-Karriere" begannen - oder aber im späteren Verlauf dort Meilensteine setzten. (Cesare Maestri, Reinhold Messner, die Huberbuam ….)
Voller Motivation und Vorfreude beluden wir daher unseren Bus und fuhren zu einem ersten Zwischenstopp nach Winterthur, um uns dort von Freunden mit Routentopos und Tipps versorgen zu lassen.
Anstatt der erwarteten 3 - 4 Kletterführern stapelte sich allerdings ein Bücherberg von mindestens einem Duzend Routenführern der verschiedensten Gebiete vor uns, und so fuhren wir schliesslich - bestens versorgt mit Kletterführern und weiteren mobilen Sicherungsmitteln, allerdings auch ziemlich reizüberflutet durch die vielen Informationen - weiter in Richtung Sellagruppe in den Dolomiten.
Laut Wettervorhersage sollte es zwar in den ersten beiden Tagen nach unserer Ankunft noch etwas regnen, aber wir hatten gehofft uns trotzdem schon mal ein wenig mit dem Gebiet vertraut machen zu können, uns vielleicht ein wenig in einem der regensicheren Klettergärten einzuklettern, oder einfach den Nachmittag in einem hübschen italienischen Café an uns vorbei ziehen zu lassen.
Pelzige Gesellschaft beim
Warten auf besseres Wetter.
Defacto hatten wir allerdings 2 Tage Dauerregen, selbst das "regensichere" Sportklettergebiet war platschnass und mit gemütlichen Cafés - die einluden dort den Nachmittag zu verbringen - war die Umgebung auch nicht gerade gesegnet.
Da sich die Vorhersage für den dritten Tag jedoch besserte und vor allem der zwischenzeitlich vorhergesagte Schnee aus der Wetterprognose verschwand, keimte in uns Hoffnung auf und wir waren zuversichtlich nach ein paar Sonnenstunden des Vormittags vielleicht schon in eine kürzere Tour (heißt hier: 6-8 SL) an den Sellatürmen einsteigen zu können.
Die Realität am Morgen sah dann allerdings doch so aus:
"Flucht" über den
Sella-Pass in Richtung
Arco (= Sonne).
Damit waren vorerst alle Kletter-Ambitionen zu Nichte gemacht und die Aussicht darauf, einen weiteren Tag im Bus zu verbringen schien uns alles andere als attraktiv. Wir beschlossen daher den Felsen erst einmal etwas Zeit zu geben um abzutrocknen und fuhren nach dem Frühstück kurzerhand nach Arco, um etwas Sonne zu tanken und endlich mal ein paar Meter klettern zu können.
Endlich kein Regen
und Schnee mehr!
Nach zwei Tagen Sportkletterei und "Dolce Vita" in Arco fuhren wir dann - wieder frisch motiviert - zurück in die Dolomiten und hofften, dass die Sonne dort den Schnee wieder vertrieben und vor allem die Felsen ausreichend abgetrocknet hat.
Die ersten beiden Sellatürme
und die Piz de Ciavazes-Südwand erstrahlen bei unserer Rückkehr unter sternenklarem Himmel
im Licht des Vollmonds.
Und so war es dann auch! Wir kamen zwar wieder einmal im Dunkeln dort an, aber vom Schnee war weit und breit nichts mehr zu sehen und die sternenklare Nacht versprach einen weiteren Schönwetter - und in unserem Fall endlich einen Klettertag im Sellagebiet.
Als Dolomiten-Neulinge hatten wir uns zum „eingrooven“ die ersten beiden Sellatürme ausgesucht und da wir schon so eine Vorahnung hatten, dass wir wahrscheinlich nicht die einzigen dort sein werden, standen wir pünktlich um 08:00 am Routeneinstieg. Über die „Freccia-Führe“ auf den ersten und anschließend durch den „rechten Riss“ (beides überwiegend III - IV) kletternd standen wir am Mittag dann auf dem zweiten Sellaturm. Das zurück kommen hatte sich definitiv gelohnt!
Ausblick vom zweiten Sellaturm auf die benachbarten Felsmassive
Langkofel, Fünffingerspitze und Grohmannspitze.
Der Abstieg zum Ausgangspunkt sollte laut Beschreibung über den „Normalweg“ erfolgen und entweder leichtes Gelände, oder (zumindest alternativ) Abseilstellen aufweisen. Dass stimmte auch - allerdings sind wir an einer Stelle offensichtlich zu früh abgebogen und mussten anschließend über ca. 10 - 15 m in Zustiegsschuhen ein Gelände abklettern, welches sich schwerer anfühlte als jenes, das wir zuvor als Seilschaft mit Kletterschuhen hochgeklettert waren. Zum Glück entdeckten wir irgendwann eine solide Sanduhr, konnten über den restlichen Wandteil abseilen und standen endlich wieder auf dem „Normalweg“!
Leider kündigte die Wettervorhersage ab dem übernächsten Tag schon wieder anhaltenden Regen und Gewitter an und so blieb uns nur noch genau ein weiterer schöner Tag zum klettern. Da die Zeit also knapp war und die Routen des ersten Tages (abgesehen vom Verhauer im Abstieg) uns klettertechnisch eher etwas zu wenig fordernd erschienen, wählten wir für den kommenden Tag die Schubert-Führe an der Ciavazes-Südwand aus. Die 8 Seillängen bis zum 6. Schwierigkeitsgrad - 1967 von Pit Schubert erstbegangen - zählen offensichtlich mit zu den absoluten Klassikern im Sellagebiet und versprechen elegante, athletische Kletterei an Rissen und „Platten“. (Gemeint ist hier glücklicherweise eher „Wandkletterei“ und nicht Reibungskletterei auf einer „geneigten Raufasertapette“ wie (beispielsweise) im Grimselgebiets!)
Ein wenig aufgeregt, aber voller Vorfreude, machten wir uns wie gewohnt schon bei Tagesanbruch auf den Weg und während wir uns am Einstieg parat machten waren im oberen Teil der Wand bereits die ersten Sonnenstrahlen zu entdecken.
Direkt zu Beginn der ersten Seillänge begrüsst die Schubert-Führe die Kletterer mit einer deutlich abgetretenen und dadurch recht rutschigen Verschneidungspassage, gefolgt von Wandkletterei und einer Traverse zum ersten Standplatz.
In den kommenden Seillängen durften wir uns dann fast ausschließlich über kompakten rauen Fels freuen und spätestens nach der vierten Seillänge - die ebenso wie die Erste zu den beiden anspruchsvollsten Seillängen der Route zählt - hatten wir uns an die zum Teil doch eher übersichtlichen Sicherungsmöglichkeiten gewöhnt und zusammen mit dem gestiegenen Selbstvertrauen in Sachen Wegfindung erschienen uns die letzten 4 Seillängen nurmehr als wahre Genusskletterei an guten Griffen und Tritten.
Im oberen Teil der
Schubert-Führe.
Glücklich über diesen wunderschöne Klettertag stiegen wir gegen Mittag schließlich am Gamsband aus der Schubert-Führe. Wir genossen erneut die großartige Aussicht auf die umliegenden Felsmassive (u.a. die Marmolada) und noch während wir uns für den Abstieg stärkten, stand fest, dass wir unbedingt wieder kommen müssen - dieses Mal allerdings bei stabileren Wetterverhältnissen. Der Funke war definitiv übergesprungen!
Der Abstieg zum Wandfuß verlief dieses Mal problemlos und so konnten wir schon bald darauf, nachdem wir uns im nahe gelegenen Fluss erfrischt hatten, bei einem leckeren Glas Rotwein die letzten Sonnenstrahlen des Tages genießen. Leider hatte sich die Wettervorhersage nicht noch einmal zum guten gewendet und wir entschieden am nächsten Tag wieder in die Schweiz zurück zu fahren.
Dort war nämlich wenigstens für das Wochenende besseres Wetter gemeldet - und wieder kommen müssen wir ja eh …