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Bekommt Yangshuo Konkurrenz?

Der erste Anblick dieses kleinen Örtchens verrät noch nicht das Geringste von den großen Plänen, die einige Leute hier zu haben scheinen. Die Rede ist von Shigu, welches zwischen Liming und Lijiang noch gerade im Junshan Nationalpark, an der ersten Biegung des Yangtze Flusses liegt. Durch einen Einheimischen auf ein riesiges Tal voller Kalksteinfelsen aufmerksam gemacht, bohrte das Kailas-Rock-Searching-Team hier 2014 die ersten 22 Routen ein. Bis jetzt ist die Routenanzahl seit dem aber erst auf insgesamt etwa 50 Routen zwischen 5a und 8b angestiegen.

 

Glaubt man jedoch den Stimmen einzelner, so hat Shigu eine blühende Zukunft als Sportkletter-Destination und wird von manchen sogar jetzt schon als zweites Yangshuo gehandelt. Angeblich spielt der Besitzer des etablierten Kletterer-Treffpunkts „Rock and Grill“ in Yangshuo sogar mit dem Gedanken sein Restaurant dort zu verkaufen und ein neues Unternehmen in Shigu zu eröffnen. Und auch der mittlerweile schon geschlossene Kletter-Bedarf-Laden „Spiderman“ soll über eine neue Zukunft in Shigu spekulieren.

 

So viel visionärer Enthusiasmus wird allerdings nicht von allen geteilt. Nicht wenige Meinungen befinden das Felspotential rund um Shigu für ziemlich überbewertet und glauben nicht im entferntesten daran, dass die Felsqualität herausragend ist und die Kletterei dort genug zu bieten hat, um Kletterer aus allen Ecken des Landes (und Auslandes) dorthin zu locken. Quasi ohnehin auf unserer Rückreiseroute gelegen, wollten wir es uns natürlich nicht entgehen lassen, uns ein eigenes Bild von diesem viel diskutierten Örtchen zu machen.



Ein Paar, welches ebenfalls seine Zukunft in Shigu als Klettergebiet sieht, sind Ling und Reuben. Die beiden haben ihre Jobs und Wohnung in Kunming aufgegeben und arbeiten gerade an der Renovierung ihres zukünftigen Guesthouses, einem wunderschönen und traditionell gebauten Bauernhaus.

 

Das alte Gebäude welches sich in einem, zu Shigu gehörigen,  gerade mal 50 Seelen zählenden Dörfchen befindet, verspricht den beiden bis zur Eröffnung noch jede Menge Arbeit zu machen, versprüht aber schon jetzt einen unglaublich intensiven Charme und viel Gemütlichkeit. Trotz, dass die Eröffnung noch einige Monate in der Zukunft liegt, hat uns Reuben angeboten in seinem „Holz-Arbeits-Raum“ schlafen zu können und dank der bereits fertig gestellten Küche, war für das leibliche Wohl bereits bestens gesorgt - und so wurden wir kurzerhand die ersten Gäste dieser, noch in der Bauphase befindlichen Unterkunft.




Hatten wir doch in Bezug auf die Beurteilung des Fels-Potentials auf eine intuitive Erleuchtung gehofft, so fällt uns eine eigene Einschätzung auch nach 3 Tagen in Shigu weiterhin schwer.

 

Es gibt zwar unzweifelhaft eine unfassbare Menge an Felswänden, diese liegen aber fast alle erhöht an oder auf den Bergen der Umgebung, so dass eine halbwegs seriöse Einschätzung der Felsqualität und des Potentials hinsichtlich möglicher Routen, Zustiegswege und möglicher Attraktivität als Reiseziel weitaus mehr Zeit (als nur 3 Tage) in Anspruch nehmen würde. Bedenkt man zudem, dass z.B. Getu, welches 2011 den Petzl-Rock-Trip zu Gast hatte und bereits über eine enorme Anzahl von erstklassigen Sportkletterrouten und Mehrseillängen verfügt, immer noch eher ein Schattendasein führt, scheint eine Blütezeit Shigus als „zweites Yangshuo“ wenn nicht unbedingt als unwahrscheinlich - dann doch aber zumindest noch in weiter Ferne zu liegen und bedarf noch vieler Anstrengungen und Pioniergeist.

 

Hat jemand allerdings Zeit, Lust und Motivation ein komplettes Klettergebiet (oder einen Teil davon) in einer wunderschönen Provinz in China zu erschließen, so bieten einem Ling und Reuben im Gegenzug Bolts, kostenlose Unterkunft und vorzügliche Verpflegung!



Wir haben dort auf jeden Fall, drei sehr entspannte Tage verbracht, die Ruhe genossen, einen ersten Vorgeschmack auf die fantastische Küche des zukünftigen Guesthouse-Betriebs bekommen und - wiedermal - einige Gläser der lokalen Reisschnaps-Köstlichkeiten testen dürfen. Dieser erinnerte allerdings dieses Mal nicht so sehr an hochprozentigen scharfen Kräutertee, sondern eher an aufgesetzten fein säuerlichen Marillen-Likör und war wirklich "fei chang hao he"!*


 

 

"Guesthouse-Mama" Ling ist schon jetzt die gute Seele des Stonedrum-House.

 



fei chang hao he* = seeeehr lecker!