Gerade einmal 5 Monate ist es her, dass wir von unserer vier monatigen Asienreise wieder zurück sind und doch konnten wir in den letzten Wochen an kaum etwas anderes denken, als endlich wieder am Felsen zu klettern und vor dem Winter nochmal eine ordentliche Portion Sonne zu tanken - und in beidem sollten wir in El Chorro nicht enttäuscht werden.
El Chorro liegt im Dreieck zwischen Sevilla, Granada und Malaga, also im Herzen Andalusiens. Das Wetter verwöhnte uns konstant mit Sonne und Temperaturen zwischen 19° und 24° C, unsere kleine Finca war genau so gemütlich, wie wir es uns erträumt hatten und es dauerte zwar ein wenig, bis der Funke so richtig übergesprungen war - aber spätestens danach genossen wir die abwechslungsreiche Kletterei der vielen verschiedenen Sektoren in El Chorro in vollen Zügen.
El Chorro ist eines der populärsten (Winter-)Klettergebiete Europas und dementsprechend ist der Kalkfelsen in vielen Routen schon ziemlich poliert, was vor allem abschüssige Tritte ja bekanntlich nicht gerade komfortabler macht. Na ja, die Schönheit der meisten Touren, minderte dies in der Regel nicht und so verbuchten wir die hübsch polierten Tritte zusammen mit der ein oder anderen fiesen Plattenpassage unter dem Aspekt "Technik-Schulung" auf unserem andalusischen Kletterkonto.
In einer der "Top 50 - Routen" bekamen wir über weite Strecken überhängende Tufa-Kletterei geboten und nahmen mit Freude zur Kenntnis, dass die 4 Wochen in Laos eine wirklich gute Schule in Sachen "such den Weg durch die Tufas" war. Alles in allem also ein wirklich lohnendes Klettergebiet mit vielen langen Touren, welche von technischer Wandkletterei, geneigten wie überhängenden Wänden und sogar einigen Mehrseillängen-Touren (fast) alles zu bieten hat, was man sich als Kletterer(in) wünschen kann.
Um wieder ins Yin und Yang Gleichgewicht des Kletterns zu gelangen, kamen wir um ein paar Restdays nicht herum und machten uns auf den Weg ins höhergelegene wunderschöne Städtchen der "Geburtsstadt der Tapas". Mal eben schnell ist man hier nirgends und so schlängelten wir uns über endlose Serpentinen ans Ziel. Granada zeigte sich als unglaublich schöne, maximal entspannte Stadt und scheinbarer Hauptwohnsitz aller hippieresken, individuellen Jungspanier. Zu erwähnen ist noch, dass man in so gut wie allen Bars und Cafes kostenlose, riesen Portionen der feinsten Tapas bekommt, auch wenn man lediglich zwei Fantas bestellt. ;-)
Folglich muss man nur in den richtigen Bars ein Weinchen trinken und hat sich schon gleich das Abendessen gespart!
Da sich unsere Unterarme trotz konsequentem Nichtstuen noch nicht von den letzten Tagen erholt hatten, hängten wir ein weiteres "Must-Do", die Begehung des Caminito del Rey hinten dran, was zwar die Unterarme, nicht aber unbedingt den Kopf schonte. Der Caminito del Rey ist ein zwischen 1901 und 1905 erbauter - und mittlerweile verfallener - Arbeitsweg, der sich in ca. 100 Meter Höhe die Schluchtwände entlang zieht.
Die Bezeichnung "Gefährlichster Weg der Welt" ist sicherlich maßlos übertrieben, aber dennoch hält dieser , von Kletterern mittels Bohrhaken und Drahtseilen gesicherte Weg, einige wackelige und ausgesetzte Passagen auf baufälligem Terrain bereit ...
Da einen der Caminito hinter die Schlucht bringt, nutzten wir die Gelegenheit, die Kletterspots hinter der Schlucht auf "Tauglichkeit und Lohnenswertigkeit" zu begutachten. Nachdem wir einige Probleme hatten den zwischen uns und den Felsen liegenden Fluss zu überqueren, fanden wir anschließend zügig den Weg zum Sektor Makimodromo.
Der eigentlich von den meisten Kletterern gewählte und sicherlich schnellste Zustieg und Weg durch die Schlucht führt durch die Eisenbahntunnel. Dieser Weg ist seit Jahren der übliche Zustieg, allerdings streng verboten und wenn man Pech hat und von Securitys erwischt wird, kostet einen der Spass 6000€ aufwärts.
Geflasht von der wunderschönen Umgebung und der Einsamkeit, wählten wir den etwas längeren und sicherlich im Zweifel sparsameren Weg über die Berge, um wieder vor die Schlucht zu gelangen.
Im Tal hinter der Schlucht
Da uns letztes Jahr sowohl im Wilden Kaiser, wie auch im Tessin das Wetter konsequent jede Mehrseillängen-Ambition zu Nichte gemacht hat, hatten wir schon zu Hause die ein oder andere Mehrseillänge ins Auge gefasst und vorsorglich Helme sowie Keile und Friends eingepackt, um für alles gerüstet zu sein.
Objekt unserer Begierde wurde schließlich "Proyecto Amptrax" - eine Route, die sich in 8 Seillängen durch eine ca. 200m hohe Wand zieht und im Gegensatz zu den meisten anderen Routen die Gelegenheit bietet, oben auszusteigen und über die Rückseite des Bergrückens wieder ins Tal zu kraxeln.
Zum Charakter der Route bekamen wir jedoch unterschiedliche Informationen. Das einzige was klar war, war das die Seillängen 2 bis 5 eingebohrt waren und bis zum Ende der 7. Seillänge gebohrte Stände vorhanden sind. Der Rest der Route war je nach "Informant" ebenfalls komplett eingebohrt oder aber mit Keilen bzw. Schlingen klassisch selbst abzusichern und auch der Abstieg schien ebenso variabel mal schwierig und mal leicht zu finden und zwischen 45 Min. und 2,5 Std. zu dauern.
"Proyecto Amptrax"
8 Seillängen, ca. 200m,
moderater Schwierigkeitsgrad
= 4 Std Spaß!
Prinzipiell auf (fast) alles vorbereitet und mit dem Wissen, dass die Route ja vor uns schon auch andere geklettert sind (= es ja alles irgendwie machbar ist) standen wir also kurz nach Sonnenaufgang am Wandfuß und wurden am Einstiegspunkt unserer Tour zur Begrüßung von einem lauten Schwirren eindrücklich darauf hingewissen, in welchem Terrain wir uns ab jetzt bewegten. Das schwirrende Geräusch gehörte nämlich nicht wie kurz gedacht zu einem der zahlreichen dort lebenden Greifvögel, sondern zu einem etwa Handball großen Stein - der offensichtlich vom Gipfel kommend - keine 20m an unseren Köpfern vorbei schoß ... und direkt auf dem Weg am Wandfuß einschlug.
Mit dem Gedanken, daß es in der Wand wahrscheinlich sicherer ist, als am Wandfuss stiegen wir schließlich in die Route ein. Die ersten Seillängen fluppten, trotzdem verlor sich unser Respekt vor der noch bevorstehenden Traverse (Infos darüber im Internet füllen ganze Gruselschubladen) und der Unsicherheit über die letzten Seillängen nicht. Die Traverse war eine waschechte 25m lange, fast waagerechte Seillänge. Ganz schön grusselig, aber super schön, und ist es nicht genau das, was wir Kletterer auch irgendwie mögen!
Die letzte Seillänge war zwar nur bis zur Hälfte eingebohrt, aber dort war ausschließlich leichtes Gelände, sodaß wir keine zusätzliche Sicherung mehr legen brauchten, und einen eingebohrten Stand gab es sogar auch. Die Aussicht, die wir bei unserer Brotzeit auf dem Gipfel genossen, war atemberaubend, ein kaltes Bier wäre die Krönung gewesen, aber man kann ja nicht alles haben ...
In der 25m Traverse der
6. Seillänge
Am Ausstieg von
"Proyecto Amptrax"
Für den Abstieg benötigten wir zwar 1,5 Stunden aber der Weg war wirklich leicht zu finden und so trugen wir, beschwingt von einer wirklich lohnenden Tour, unser völlig umsonst mitgeschlepptes Sicherungsmaterial wieder ins Tal, passierten - hier irgendwie ebenso üblich wie unumgänglich - einen Eisenbahntunnel (s.o.) und krochen durch eine Aushöhlung am Boden in Richtung kaltes Bier (endlich!) an der Bahnhofskneipe.
Viva El Chorro!